“Der eCommerce wird zur Überlebensfrage.”

Ein Thema – drei Speaker: Gelungene Premiere bei der BARsession in Dortmund. Wieder einmal hat die erfolgreiche Digital Business Konferenz mit dem Thema “eCommerce ist eben viel mehr als ein Online-Shop” den Nerv getroffen. Über 100 interessierte Teilnehmer strömten ins “Schürmanns”, um sich über die neusten eCommerce Entwicklungen zu informieren.  Sie wurden nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Die drei Speaker begeisterten mit mitreißenden, informativen und bereichenden Vorträgen.

Organisator Holger Rohde, Business Academy Ruhr, (v.l.) begrüßte die Top-Speaker Pavlos Tsulfaidis, SmartStore, Marcus Diekmann, SHOPMACHER, und Christoph K. Weidner, argutus GmbH.

eCommerce Entwicklungen: Stirbt der stationäre Handel?

“Es geht nicht um die Zukunft des Handels, sondern um die Frage: Wie sieht der Handel der Zukunft aus? und wer gewinnt?” Mit diesen starken Worten begann Marcus Diekmann seinen Vortrag. Seine plakative Antwort vorweg: mit “KillerCommerce”. Doch bevor er weitere Optionen verriet, wie der Handel zukünftig agieren soll, stellte er zunächst die Ist-Situation vor. Sein Fazit: Der gesamte Handel stagniert, nur die Verkaufskanäle verschieben sich. Der Online Handel wächst und das in vielen Sparten, denn alle Sparten sind onlinefähig. Beim Buchhandel sei die Entwicklung online schon ausgereizt. “Denn bereits heute geht jedes zweite Buch online über den Ladentisch”, berichtet Marcus Diekmann. Gleiches gilt für den Spielzeughandel. Hier sei der Online Handel schon an seiner Wachstumsgrenze.

Beispiel: Textilhandel

Anders sehe die Entwicklung beim stationären Handel zum Beispiel im Bereich Textil aus. Seit Jahren ist dieser stark rückläufig. Der stationäre Handel verpasst den Online Trend. Erste Tendenzen für die Verluste des stationären Handels zeigen sich aber schon sehr deutlich. Dauerhafte Schlussverkäufe und Rabatte prägen das Bild in den Einkaufsmeilen der Städte. Und wie reagierte bislang der Handel? Es werden immer noch mehr neue Flächen aufgemacht. Aus Sicht des Experten ist das aber genau der falsche Weg.

“Schon heute steht jedes zehnte Ladengeschäft vor der Pleite“, weiß Diekmann und prognostiziert: “Wir werden immer mehr Geisterstädte haben, denn das Kaufverhalten hat sich radikal verändert. “Die Produktauswahl erfolgt zunehmend im Netz. Diese Suche steht dabei vor der gezielten Anbieterwahl”, stellt Diekmann fest. Dabei bestimmt die produktbezogene Treue des Käufers das Kaufverhalten, nicht die Treue zum Händler. Deshalb müssen sich Händler gedanklich vom regionalen Markt lösen und sich mehr für den überregionalen Verkauf öffnen.

“Der eCommerce wird zur Überlebensfrage. Durch Factory-Outlets oder dem Center-Wahnsinn wird den Geschäften in den Städte ein weiterer Todesstoß versetzt”, berichtet der Experte. Darüber hinaus sorgt die Entwicklung zu Mobile Marketing für noch mehr Transparenz insbesondere beim Preis. Schon heute kommen beim Online Händler “otto.de” über 50 Prozent der Bestellungen über das Smartphone. Und beim Preis kennt der Kunde kein Pardon. “70% der Online Kunden sind preisgetrieben”, sagt Diekmann. “Nur der aggressivste Preis, der beim Preisvergleich-Anbieter auf erster Stelle steht, gewinnt”.

Gegenmaßnahmen für der Handel

Wie soll man mit den Online Riesen wie Amazon und Zalando konkurrieren? Hat der stationäre Handel überhaupt eine Chance? Wenn ja, dann muss er einiges bewegen. Er muss dynamischer werden und auf den kulturellen Umbruch reagieren. Online und Offline vermischen sich. Denn schon heute ist klar: ROPO (Research Online, Purchase Offline) erhöht die Kaufbereitschaft (z.B. bei Ernstings Family).

Diekmanns’ Strategie heißt “KillerCommerce”

  • Raus aus der Vergleichbarkeit und einzigartige Produkte anbieten.
  • Als Hersteller in den Direktvertrieb einsteigen und direkt online an den Endverbraucher verkaufen.
  • Die Wertschöpfungsstufen minimieren, denn Einteilungen wie Fachhandel, Großhandel etc. werden verschwinden.
  • Sich absolut spezialisieren, z. B. nur Sneakers anbieten.
  • Einen Beratungsmehrwert bieten im eigenen Online Shop.  “Top-Shop” im Internet bietet bereits einen Online-Berater an. Outfittery ist mit ihrer individuellen Whats App-Beratung erfolgreich.
  • Persönlichkeit bieten.
  • Händler muss zum Kunden gehen.
  • Leistungen auch offline anbieten. Wenn online auf Rechnung gezahlt werden kann, muss es auch offline funktionieren.
  • Stationäre Verkäufer müssen digital ausgestattet werden, um den Kunden eine bessere Beratungskompetenz zu bieten. Dadurch können sie den Kunden die eigenen Smartphone-Recherche abnehmen.
  • Digitalisierung des stationären Piont of Sales

Die kleinste Filiale wird auf diese Weise zur größten Filiale. Ob der Hemdenmeister, mit individuellen Hemden und einer persönlichen Beratung, kodi mit Sortiment-Bundles oder der Reuter Badeshop, der seine Waren direkt vom Großhändler bezieht: Dank der vielen Best Practice Beispiele konnten die Teilnehmer sehr deutlich nachvollziehen, in welche Richtung der Online Handel der Zukunft steuern wird.

Website ist das Miniumum

“Die Apotheken machen es uns seit Jahrzehnten vor, wie es funktionieren kann. Ist ein Medikament nicht vorrätig, wird es geordert. Am nächsten oder oftmals schon am gleichen Tag liegt es dann auf dem Ladentisch “, sagt Marcus Diekmann. Wer diese Aspekte beherzige, können den Wandel schaffen. Eine Website mit der Produktvorstellung und den Öffnungszeiten sei dabei der Minimalanspruch für jeden stationären Einzelhändler. Der nächste Schritt sind spezielle Angebote und Aktionen bis hin zu Themenshops. Die Königsdiziplin sei der “KillerCommerce”, der alle digitalen und stationäre Aspekte und Möglichkeiten optimal ausreizt und die Beratung und Dienstleistung in den Mittelpunkt rückt. Aber bis dahin sei es ein langer Weg, so der eCommerce-Experte.

Erfolgreiches SEO = rentabler Online Shop

Ist ein Online Shop eingerichtet, stellt sich die Frage der Sichtbarkeit im Netz. “5,7 Millionen Suchanfragen werden pro Tag über Google verarbeitet. Dabei kennt die Kreativität der User keine Grenzen”, weiß Christoph K. Weidner, SEO-Experte der Agentur argutus GmbH. Wie können Händler im Netz gegen die Giganten bestehen und dennoch rentabel arbeiten? “Ohne klare Antworten auf die folgenden Fragen wird Ihr eCommerce nicht funktionieren”, betont Weidner gleich zu Beginn seines Vortrags: 1. zum Produkt/Dienstleistung, 2. zu Keywords/ zum Thema und  3. zu den Betriebswirtschaftliches KPI’s (Key Performace Indicatoren)

Produkt/Dienstleistung

  • Wer ist meine Wettbewerber? Wo habe ich einen Vorteil? (Margen, Exklusivität, Lieferzeiten usw.)
  • Mit welchen Produkten/Dienstleistungen bin ich wettbewerbsfähig?
  • Wo liegt der durchschnittliche Wert meines Warenkorbs/Auftrags?
  • Wie verschicke ich meine Ware, zu welchem Preis?
  • Pro Tag kann ich wie viele Aufträge bewältigen?

Keywords/Thema

  • Welche Keywords kommen für mich in Betracht?
  • Wie hoch sind das Suchvolumen und die CTR (Click-Through-Rate)?
  • Und die CPC (Cost per Click)?
  • Wie sucht meine Zielgruppe und an welcher Stelle (Touchpoint) der Suche möchte ich diese wirklich abholen?

Gerade bei der Suche der Keywords sei Kreativität gefragt. “Fragt man einen Schuhhändler, welches Keyword er hat, kommt als Antwort: Schuhe”, berichtet Weidner. Doch das Ergebnis bei Google ist verheerend. Viel zu viele Anbieter, an denen der Schuhhändler niemals mit seinem Shop vorbeikommen kann. Deshalb müsse man bei Keywords viel mehr in die Tiefe gehen. Kein Unternehmen habe nur ein Keyword. Warum nicht als Keyword “Schuhe mit Schnürsenkel” oder “handgemachte Schuhe” und ruck zuck verkleinert sich das Suchvolumen. Gleichzeitig wächst die Chancen des “kleinen” Schuhhändlers” bei Google mit seinen Produkten nach vorne zu rücken. Longtail Keywords sind dabei eine gute Chance für die Neukundengewinnung bei kleineren Online Shops.

“Wer braucht schon Wein aus Georgien? Es gibt doch schon reichlich Auswahl bei den großen Online Händlern”, berichtet Weidner. “Da hat der Händler nur eine Chance, wenn er gezielt Lösungen anbietet. Welcher Wein eignet sich am besten für eine Rendezvous oder eine einzigartige Hochzeit? Natürlich der gregorianische Tropfen.” Mit der richtigen Longtail-Keyword-Stategie finden auch Neukunden also den Weg zum Online Shop des Gregorianischen Weins :-). Kleines Suchvolumen, bessere Trefferquote.

KPI’s

  • Was ist meine CVR (Conversion Rate) auf der Website?
  • Wie hoch ist meine Abschlussquote?
  • Und meine Wiederkaufsquote?
  • Was sagt meine Retourenquote?
  • Habe ich saisonale Peaks?
  • Was darf ein Lead/Order kosten?

An dieser Stelle wurde Christoph K. Weidner konkret und zeigte dem Publikum eine einfache Tabelle, die alle Faktoren wie Suchvolumen, CTR, CPC, CVR, Warenkorb, Umsatz, Kosten, Ertrag etc. aufgelistet. Das sei ein Weg zum effektiven Onlinemarketing-Budget, so Christoph K. Weidner. Erstaunlich: Ein großes Suchvolumen, das mit hohen Werbekosten verbunden ist, führt zwar zu vielen Aufträgen, aber die Kosten pro Neukunden sind viel zu hoch und deshalb auf keinen Fall rentabel. Andererseits kann ein Händler trotz geringem Suchvolumen über Google gute Rentabilität erzielen kann. Denn das überschaubare Auftragsvolumen (z. B. 25 Bestellungen pro Tag) ist händelbar und die Werbekosten für Neukunden passen ins Budget. Hier liegen die Chancen für den einzelnen Händler.

Dynamic Prices erobern das Netz

“Jeder kennt dynamische Preise von der Tankstelle. Manchmal wird innerhalb von Stunden der Preis geändert. Wie entstehen diese Preise eigentlich?”, fragt Pavlos Tsulfaidis, SmartStore. “Die Tankstellen machen das einfach deshalb, weil sie es können. Es ist nicht verboten.” Schnell war die Neugier der Teilnehmer auch bei dem dritten Vortrag  geweckt. Denn: Das sogenannte Dynamic Pricing, also die dynamische Preisgestaltung, ist im Internet allgegenwärtig. Jeder kennt das. Man schaut sich ein Produkt oder eine Dienstleistung an und wenn man öfters einen Anbieter besucht hat, steigt der Preis.

Beispiel: Amazon

Mit diesem eCommerce Strategie arbeitet Amazon schon seit Jahren. “Der Onlineriese hat schon vor Jahren begonnen, Kundendaten für seine Preisbildung zu nutzen”, so Pavlos Tsulfaidis, SmartStore. Welche Kriterien werden dabei zugrunde gelegt?

  • Tages- und Wochenzeit (Hinweis: Besonders zwischen acht und zwölf Ihr am Vormittag und abends ab 20 Uhr schwanken die Preise)
  • Geräteauswahl (Ob PS, Apple-Gerät oder Smartphone)

“Amazon weiß alles. Sie setzen Künstliche Intelligenz im Hintergrund ein. Gegen diesen Algorithmus kann man sich als Kunde nicht wehren”, sagt Pavlos Tsulfaidis. Diese Spielchen seine für die Kunden zwar ärgerlich, aber juristisch zulässig, so der Experte. “Denn die Preisangabenverordnung (PAngV) schreibt nicht vor, dass die Preise für jedermann gleich sind oder die Preise längere Zeit stabil sein müssen.” Abschließend war sein Fazit: Wer nicht viel zahlen möchte, muss sich anstrengen und noch mehr vergleichen.

4 Tipps für den Online Einkauf

1. Vergleichen Sie beim eCommerce die Preise zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Geräten aus.
2. Beim Weg über Tablet oder Smartphone empfiehlt es sich von der mobilen Ansicht auch zwischendurch in die Desktop-Version zu wechseln.
3. Entfernen Sie regelmäßig die Cookies.
4. Oder verwenden Sie Cookie-Blocker oder Software wie “Do not Track”, damit die Händler nicht an die Informationen kommen.

Fazit

Fakten, Informationen und viel Input: Und wer noch Fragen hatte konnte in den Sessions nachlegen. Deshalb: Wer mehr über die Chancen und Möglichkeiten des eCommerce haben wollte, war bei dieser BARsession bestens aufgehoben. Zum Nachdenken brachte mich Einiges. Zum einen die Worte von Marcus Dieckmann, der sagte: “Die echten Digital Natives werden erst noch zum Kunden.”

Für mich heißt das: Es bleibt wichtig, immer auch ein Auge auf die Mediennutzung des Nachwuchses haben. Dann kann man den Anschluss an das Online Marketing, den eCommerce oder Social Media nicht verlieren. Online und Offline verschmelzen miteinander. Und Kassen sind bald Schnee von gestern ;-).

Zum anderen wurde mir erneut die Bedeutung der Longtail Keywords vor Augen geführt, mit denen auch kleinere Händler mit ihrem spezialisierten Produkt ganz oben bei Google landen können. Nutzt man entsprechende Tabelle ist der Erfolg auch in Zahlen messbar und das Budget überschaubar. Und “last but not least” hat mir der Abend wieder einmal vor Augen geführt, wie viel die Online Händler über den Kunden wissen und sich dieses zunutze machen. Beim Shoppen immer mal wieder die Geräte wechseln, so lautet die Devise.