Infotainment vs. eEducation – Der Unterschied zwischen Webinar und eLearning

Während die Corona-Pandemie in vielen Bereichen zahlreiche Einschränkungen mit sich brachte, herrscht aktuell im Bereich der digitalen Anwendungen ein Boom. Seien es Video-Konferenzen oder Angebote für Webinare. Fällt die Möglichkeit zu direktem Kontakt weg, werden digitale Wege auf einmal populär. Ein Webinar hat jedoch häufig wenig mit einem digitalen Lernkonzept zu tun. Was steckt hinter diesen online-Lernbegriffen und woran erkenne ich, was hinter all den Angeboten steckt.

Webinar = Infotainment

Zahlreiche Bildungsanbieter waren in der Corona-Krise damit konfrontiert, ihren Präsenz-Unterricht von heute auf morgen nicht durchführen zu können. Sie mussten sich also “ad hoc” Lösungen einfallen lassen, wie sie ihren Bildungsbetrieb aufrechterhalten können. Da kam das “Webinar” wie gerufen. Der Dozent hält einfach seine Präsentation vor der PC-Kamera und ein Video-Konferenz-System überträgt das zu den Teilnehmer, die dann zu Hause folgen können. So weit, so gut. Gewinner dieser Entwicklung ist eindeutig die Video-Konferenz-Software “Zoom”.

Ein Webinar ist also ein “Seminar”, das über Video zum Teilnehmer übertragen wird. Es findet “live” statt. Teilnehmer und Dozent sitzen also alle gleichzeitig vor dem PC. Das ist also so ähnlich wie im Präsenz-Unterricht – mag man meinen. Der Unterschied wird jedoch erst im Detail deutlich: solange wir von reinem Frontal-Unterricht sprechen, ist der Vergleich möglich. Ob ich eine Präsentation vor der Gruppe halte oder über eine Video-Konferenz spielt bei der reinen Übermittlung von Informationen eine untergeordnete Rolle. Sobald man jedoch die Teilnehmer in irgendeiner Weise einbindet, fangen die Unterschiede an.

Didaktisch ausgebildete Dozenten verbinden Input immer mit der Möglichkeit, das Gelernte in die Praxis zu übertragen. Also mit Diskussionen, Aufgaben, Austausch. Und genau hier kommen die Webinare an ihre Grenzen: Diskussionen über den Schriftchat sind ein wenig zeit-verzögert und nur äußerst schwierig einzubringen. Ein Teilnehmer tippt seine Frage ein, der Dozent antwortet schriftlich, in der Zwischenzeit haben schon drei andere kommentiert, die Antwort des Dozenten erscheint unter einem Kommentar und scheint nicht zu passen. Das muss geklärt werden und die fünf anderen Fragen von Teilnehmern gehen unter. Und die wenigsten Dozenten können gleichzeitig schriftlich Fragen beantworten und mit ihrer Präsentation fortfahren.

Für alle, die gerade keine Frage haben, stockt also das Webinar. Es wird zäh. Ähnlich, wenn man Teilnehmer mit Kamera und Ton dazuschlagen möchte. Bei einigen klappt es, andere haben keine Kamera, andere keinen Ton, wieder andere beides nicht und beim Dritten ist die Internetverbindung so schlecht, dass er ganz rausfliegt. Auch das ist häufig keine Alternative zum Schriftbereich und ähnlich zäh. Da viele Dozenten diese Erfahrung gemacht haben, verzichten sie häufig auf die Einbindung von Teilnehmern und verbleiten beim Ablesen ihrer Präsentation und verbleiben auf dem Stand des “Infotainment”.

Education im eLearning

Es stellt sich die Frage, wie digitaler Unterricht anders funktionieren kann, wenn das Webinar lediglich einen Bestandteil des Lernens (die Informationsvermittlung) abbildet. Was gehört also dazu, dass sich (neue) Inhalte verständigen, dass sie später im Alltag umgesetzt werden können? Aus der Perspektive der Lern-Didaktik können wir uns hier an der Lernzieltaxonomie nach Bloom [Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. („Taxonomy of educational objectives“, 1974). 5. Auflage. Beltz Verlag, Weinheim 1976, ISBN 3-407-18296-1.] orientieren, der bereits in den 1970er-Jahren dazu forschte, wie sich Lernen aufbaut.

Die reine Wissensvermittlung steht auf der niedrigsten Stufe. Nach der reinen Aufnahme von Inhalten, steht das Verstehen. Verstehen drückt sich zum Beispiel darin aus, dass man in der Lage ist, Inhalte in eigenen Worten wiederzugeben. Auf der zweiten Lernstufe sollte also ein Dozent dazu anregen, Inhalte in eigenen Worten wieder zu geben. Auf unserer Lernplattform haben wir auf dieser Lernstufe Aufgaben, in denen Teilnehmer eigene Artikel zu Themen schreiben oder Glossare erarbeiten.

In weiteren Lernstufe vollzieht sich das Lernen durch das Anwenden von Lerninhalten auf eigene Beispiele, durch die Entwicklung eingener Lösungen und die Analysekompetenz. Also die Fähigkeit, beurteilen zu können, ob zum Beispiel ein Lösungsmodell anderer Lernen, dem neu gelernten entspricht. Diese Kompetenzstufen in Präsenz-Weiterbildungen zu integrieren ist schon nicht einfach. Im eLearning bedeutet es, dass Lernende das neue Wissen anwenden können sollen, dass sie eigene Lösungen entwickeln sollen, Aspekte des neu Gelernten auf ein eigenes Beispiel übertragen können müssen und zeigen sollen, dass sie die Lösungen anderer (vor dem Hintergrund des neu Gelernten) beurteilen können. Diese Lern-Didaktische Modell liegt unserem eLearning zugrunde. Hier gehen die Teilnehmer nach diesen Stufen vor:

  • Zunächst erarbeiten sie neue Themen
  • Dann fassen sie die neuen Themen in eigene Worten zusammen
  • Sie müssen in sogenannten “Vertiefungsaufgaben” zeigen, dass sie die neuen Themen in der Praxis anwenden können
  • Im Rahmen von “Facharbeitsaufgaben” übertragen sie das Gelernte auf einen eigenen Fall
  • Und geben anderen Teilnehmern Feedback zu ihren Lösungen, zeigen also, dass sie bewerten können.

Lernen findet also nicht allein durch die Aufnahme von neuen Inhalten statt, sondern geht bis hin zur Anwendung, Übertragung und Bewertung. All diese Kompetenzen in reinen Webwaren integrieren zu wollen, ist fast utopisch, denn sie setzen eine Einzel-Betreuung voraus. Ein wichtiger Bestandteil des Lernens ist nämlich das Feedback eines Fach-Experten zu seinen erarbeiteten “Lösungen”. Das wäre in einem synchronen Lernumfeld – wie einem Webinar – kaum umzusetzen. Denn die Entwicklung von neuen Lösungswegen bedarf Zeit. Man muss das Gelernte “sacken lassen”, um es zu verstehen und dann übertragen zu können. Dann soll man den neuen Weg ja auch noch beschreiben. Das würde kaum umzusetzen sein, wenn man sich live in einem Videochat gegenüber sitzt. Diese Zeitkomponente bieten asynchrone Lernsysteme, wie Beispielsweise die Lernplattform “Moodle”, mit der wir seit vielen Jahren arbeiten.

Fazit

Ich bin kein Gegner der Webinar-Lösungen und kann sehr gut verstehen, dass diese eine unkomplizierte Lösung in der Corona-Situation anbieten. Man darf jedoch nicht den Fehler begehen, hier eine langfristige Lern-Praxis sehen zu wollen. Nicht nur, dass es für den Teilnehmer mehr als ermüdend ist, stundenlangen Power-Point-Video-Übertragungen zu folgen, es unterstützt Lernen nur auf einer sehr geringen Stufe. Alles, was über die reine Aufnahme hinausgeht, muss anderweitig initiiert werden. Das sind langfristige Projekte, die jedoch ein anderes Qualitätsniveau des Lernens anstreben und somit einen wertvollen Beitrag zur Qualität von Bildung leisten können.

Wenn Sie Interesse haben, Ihre Lernplattform zu einem digitalen Lernsystem auszubauen oder damit beginnen möchten, fragen Sie uns gern an. Wir beraten und schulen in allen didaktischen, aber auch administrativen Themen rum um das eLearning.

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