Trends im eLearning: von Lern-Nuggets und Video-Boards
Sich als Bildungsanbieter fortzubilden ist in manchen Themen gar nicht so einfach. Vor allem, wenn man sich auf so rasant verändernde Themen wie Digitalisierung und eLearning spezialisiert hat. Neben guten Web-Quellen wie CHECK.point eLEARNING nutzen wir natürlich auch den Austausch auf Kongressen oder Fachtagungen. Die Learntec ist für uns eine wunderbare Möglichkeit, sich über Trends und Neuerungen zu informieren und einen Eindruck der Branche zu gewinnen. Wo geht die Reise im eLearning hin? Welche Bewegungen nehmen wir als Bildungsanbieter im Alltag wahr, wie positioniert sich die Branche?
eLearning gehört für uns in der Business Academy Ruhr zum Arbeitsalltag. Unsere Moodle-Lernplattform ist fester Bestandteil aller standardisierter Bildungsveranstaltungen, die wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern durchführen. Wir entwickeln uns ständig weiter und bilden uns selbst fort. Für uns ist die Frage nach einem System nicht entscheidend, denn mittlerweile unterscheiden sich die Lernplattformen nicht mehr zu sehr. Die Grundfunktionen sind ähnlich.
Ob man mit einer Open-Source-Lösung wie Moodle oder Ilias arbeitet, wie wir es tun, oder einem erworbenen Lizenz-System spielt im Prinzip keine große Rolle. Wir vergleichen immer gern mit analogen Systemen: ob ich ein Buch in Taschenbuchformat lese, als gebundenes Werk oder digital: Das Buch bleibt Buch und die Aktivität, die ich damit ausführe, ist die gleiche. So ähnlich ist es mit den eLearning-Systemen: sie setzen alle Lernaktivitäten ins Digitale um. Sie können alle Material einbinden, Aufgaben hinzufügen und eine Lernstruktur vorgeben. Natürlich unterscheiden sie sich in Feinheiten (genauso wie sich ein digitales Buch von einem Hardcover unterscheidet). Für uns ist jedoch nicht das System entscheidend, sondern die inhaltliche Umsetzung. Hier findet sich auch schon der erste Trend:
Trend 1: Didaktik und Content
Während in den Anfangszeiten des eLearning die Euphorie groß war und die Meinung vorherrschte, dass eLearning analoges Lernen ablösen würde und man damit alle Herausforderungen des Lernens lösen könne, zeigt sich nun, dass eLearning vor allem inhaltlich durchdacht und gefüllt werden muss. Zahlreiche Bildungsträger oder Unternehmen sind in der Vergangenheit dem Technik-Trugschluss erlegen: Ich führe eine Technik ein und dann “läuft das” automatisch. Dies ist allerdings ein Trugschluss und viele Lernsysteme verkümmern zwangsläufig zur Datenablage. Technische Systeme erfüllen keinen Selbstzweck, sondern müssen mit Leben gefüllt werden!
Die Realität sieht meist folgendermaßen aus: Die meisten Bildungsträger stellen ihren Dozenten und Mitarbeitern eine Lernplattform zur Verfügung, haben Ihnen aber nicht gezeigt, wie man inhaltlich damit arbeitet. Nun merkt man, nach vielen Jahren des kümmerlichen Dahinfristens der Lernplattformen, dass da “nichts passiert” und dass sie keinen Mehrwert haben. Wie auch? Niemand im Team hat eine Idee, was man damit alles machen kann. Es fehlt an Beispielen und Unterstützung. Langsam erwacht die Branche aus dem Dornröschen-Schlaf und merkt, dass die Technik keine Lösung darstellt, wenn man die Menschen nicht befähigt, damit umzugehen.
Woran machen wir diesen Trend fest? Die Anfragen, andere Bildungsanbieter im Bereich eLearning zu beraten und zu schulen nehmen zu. Im vergangenen Jahr haben sie sich fast verdoppelt. Der Fokus liegt eindeutig darin, zu lernen, wie man die Plattformen sinnvoll einsetzt. Welche Arten der Content-Gestaltung bietet eine Lernplattform, wann ist welche Form sinnvoll und wie kann ich didaktisch darin arbeiten? Wann macht ein Multiple-Choice-Test mehr Sinn, als eine eingereichte Aufgabe? Oder verbinde ich eine Lösung lieber mit Peer-Feedback? Das sind Medien-didaktische Fragestellungen, die bisher wenig Berücksichtigung in der eLearning-Welt finden.
Trend 2: Learn-Nuggets
Bei der Auswertung der Learntec haben wir gerätselt, ob sich für uns ein “Trend” herauskristallisiert hat. Das ist gar nicht so einfach, denn wir haben uns wenig für die eLearning-Lösungen für Schulen oder Hochschulen interessiert. Das Interesse lag natürlich stärker auf Lösungen für Bildungsträger oder Unternehmen. Beim Besuch der Learntec vor drei Jahren, waren die AR/VR-Stände auffällig. 2020 gab es zwar auch einen AR/VR-Bereich, aber die deutliche Verbreitung an den Ständen fand sich dieses Jahr nicht wieder.
Augmented Reality und Virtual Reality scheint vor allem im Bereich der Hochschullehre, Medizin oder im Ingenieurwesen verankert zu sein. Wo geht die Reise 2020 im Bereich des eLearning hin? Schaut man sich die eLearning-Lösungen an, dann wird deutlich, dass zahlreiche Anbieter sich auf “Lern-Nuggets” fokussieren. Was heißt das? Wer die Lernplattform “Moodle” kennt, der zieht schnell eine Parallele zu den “Lektionen”. Das sind gelenkte Lernpfade, was bedeutet, dass man größere Themen in kleinere Inhalte splittet und die Lernenden so durch das Thema führt.
Die Lernenden müssen sich also keine langen Texte mehr durchlesen, sondern blättern sich von einem Mikro-Thema zum nächsten. Das kann mal ein Filmbeitrag sein, ein Test, ein Podcast oder auch ein interaktives Bild. Die Medienbandbreite wird größer und bei den meisten Anbietern optisch auch um einiges fortschrittlicher als es die Moodle-Lektionen zulassen. Eine Zerfaserung der Lerninhalte in kleine Häppchen greift den Trend aus den sozialen Medien auf, alles in kleine Stories zu übertragen, kürzere Einheiten zu formen und so ein Lernen, das “nebenbei” zu funktionieren scheint, anzubieten.
Auf den ersten Blick macht das alles einen guten Eindruck. Auf den Zweiten zeigt sich jedoch, dass das Erkennen von Inhalts-Strukturen und großen Zusammenhängen schwieriger wird und die Anbieter einen großen Fokus auf die Inhalte legen, die dann (rein autodidaktisch) erarbeitet werden. Das ist gut und schön, aber: Dass effektives Lernen immer auch Anwendungsorientierte und kommunikative Elemente, wie zum Beispiel Feedbackprozesse beinhalten sollte, gerät in der Welt der kleinen, bunten, animierten Lern-Happen schnell in Vergessenheit. Unser Fazit zu den Learn-Nuggets: Sie sind eine gute Ergänzung, bilden jedoch nur einen kleinen Bereich des online Lernens ab.
Trend 3: kompatible Features und Systeme
Ob man hier einen dritten “Trend” beschreiben kann, bleibt die Frage, uns ist jedoch aufgefallen, dass die Anbieter – stärker als noch vor einigen Jahren – auf kompatible Systeme setzen. Früher war es eher eine “Kampf der Systeme” gegeneinander. Man entschied sich für eines und das war dann gesetzt. Wollte man das System weiter entwickeln, war es schwierig, ein weiteres zu integrieren. Das sieht heute ganz anders aus.
Viele Anwendungen bieten heute eine Schnittstelle zu den großen Lösungen (wie Moodle oder Ilias) an. Sie haben registriert, dass zahlreiche Bildungseinrichtungen und Unternehmen diese Systeme bereits einsetzen und ungern ihr gewohntes Feld verlassen. Der Wechsel einer großen Lernplattform-Lösung ist eher selten. Man hat sich an die Handhabung gewöhnt, hat dort seine Inhalte stehen, das System ist etabliert. Ein Wechsel bräuchte also eine gute Begründung.
Nicht ganz unwahrscheinlich ist jedoch das Szenario, dass Bildungsanbieter, die bereits mit einer “großen Lösung” arbeiten durchaus Interesse an Innovation haben. Sie stehen also einer Ergänzung ihres Systems positiv gegenüber. Warum nicht ein gut funktionierendes Video-Konferenz-System integrieren. Wir arbeiten beispielsweise mit der Webinar- und Videokonferenzlösung edudip, um unsere Lernplattform sinnvoll zu ergänzen. Das klappt hervorragend. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die große Lernplattform selbst ein Video-System hätte, dass auf dem technischen Stand wie edudip oder Adobe Connect arbeitet. Das ist jedoch nicht der Fall. Und so behilft man sich eben externer Systeme.
Auch bei den Lern-Nuggets ist eine externe Lösung deutlich innovativer als die von Moodle zur Verfügung gestellten Lektionen. Wichtig sind jedoch Schnittstellen, die an die etablierte Lösung andocken. Das haben – unserer Beobachtung nach – die Anbieter mittlerweile versanden und setzen hier mehr auf “Zusammenarbeit” der Systeme.
Das Fazit
Insgesamt ist die Learntec eher vertrieblich ausgelegt. Wer als Bildungsanbieter eine digitale Lern-Lösung sucht, ist hier sicherlich gut aufgehoben. Man erhält einen guten Überblick, kann sich die Anwendungen und Systeme in aller Ruhe demonstrieren lassen. Die meisten Anbieter bieten einen kostenfreien Probe-Account für eine begrenzte Zeit an, sodass man die Systeme gut testen kann. Auch diejenigen, die einen Überblick über die Entwicklungen der Branche generieren möchten – wie wir – sind hier sicherlich gut aufgehoben.
Etwas enttäuschend waren für uns die Vorträge. Auch sie sind eher “Nabelschau” als Denkanstoß und Innovation. In den Vorträgen, die wir besucht haben, ging es eher darum, die Vorzüge des eigenen Produkts und/oder Unternehmens darzustellen, als in einen Fachaustausch. Das ist aber ein sehr subjektiver Eindruck von Learntec Besuchern, die schon sehr tiefes Vorwissen mitbringen. Da hätten die Vorträge ruhig ein wenig mehr in die Tiefe gehen dürfen. Die Learntec werden wir auf jeden Fall wieder besuchen. Da wir uns allgemein sehr gut auf dem Laufenden halten, planen wir einen solchen Besuch alle zwei bis drei Jahre ein.
Wer sich über digitale Wege des Lernens informieren möchte, Austausch sucht, Beratung für eine eigene Lösung braucht, darf uns gern ansprechen.
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