Wie die Netzkultur das Meme erfand und was die Evolutionsbiologie damit zu tun hat

Man kennt es, das Meme: schwer zu erklären und immer Teil eines großen Ganzen. Früher hat man Suppendosen abgemalt, heute erstellt man ein Meme. Mies gelaunte Katzen, overattached girlsfriends, ein schlecht gestopfter Fuchs mit einem Blick, der die Zukunft in ihren schlimmsten Facetten gesehen hat – das alles hat uns die Meme-Kultur zu bieten. Wo kommt sie her? Und wo geht sie hin? Heute im Studio: eines der größten Internet- und Kulturphänomene der Postmoderne.

Über Memes spricht man nicht

Was haben die Evolutionsbiologie und der kanadische Rapper Drake miteinander zu tun? Manche Teile der Antwort könnten Sie verunsichern, deswegen beginnen wir von vorne. Im Jahr 1976 veröffentlichte der britische Professor für Zoologie und Evolutionsbiologie Richard Dawkins ein Buch mit dem Titel “The selfish gene”. Darin spricht er über das Meme. Damit ist gemeint: eine bestimmte Verhaltensweisen oder Verhaltensmuster, die von Mensch zu Mensch übertragen werden. Klingt ein bisschen nach einem Virus? Das ist kein Zufall. Ich zitiere Dawkins selbst:

I did actually use the metaphor of a virus. So when anybody talks about something going viral on the internet, that is exactly what a meme is and it looks as though the word has been appropriated for a subset of that.

Jedenfalls: der Funke ist übergesprungen. Das Meme ward geboren. Letztlich folgen Memes bestimmten Mustern und werden von Mensch zu Mensch übertragen. Die Story ist schnell erzählt. Hier ein Rezept für ein Meme und eine kleine Kostprobe.

Am Anfang war das Bild - die Hauptzutat des Meme

Jede gute Suppe braucht eine deftige Brühe als Basis. Jedes gute Meme braucht eine deftige Bildvorlage. Man nehme also ein Bild, das 

a) zugänglich 

b) ohne Kontext lustig

c) vielseitig anwendbar ist.

 

Meme Hide the Pain Harold

Quelle: Canva

Memes sind keine Ein-Personen-Show. Sie funktionieren über soziale Dynamiken auf sozialen Netzwerken. Meistens taucht irgendwo ein Bildchen auf, einer findet es lustig, schreibt was drunter oder drüber, postet es und wenn man Glück hat, finden es auch andere lustig, schicken es ihrer Mutter, sie schickt es in ihre Yoga-Gruppe, die Gruppenleiterin postet es bei Facebook an eine Seitenpinnwand, es wird auf einer größeren Seite veröffentlicht, bekommt Reichweite, wird überall geteilt und schon hat es die Welt der Meme-Kultur betreten. 

Beispiel: Eine mittelmäßig bekannte Künstlerin, die Tiere ausstopft, vermasselt einen Fuchs. Sie ärgert sich, dann will sie ihn über eBay verkaufen. Ein paar Leute sehen die Anzeige, finden den Fuchs absurd lustig und schicken ihn ein paar Freunden. Einige Memes später ist der Fuchs ein Superstar der Meme-Parade. 

Es sieht bescheuert aus, guckt etwas verlegen und sein Anblick fühlt sich an wie der Weg zur Arbeit an einem Montag. Die perfekte Bildvorlage für diverse Lebenssituationen.

Meme Fuchs Adele Morse

Quelle: eigene Produktion, Foto: Adele Morse

I will show you the world

Eine gute Suppe braucht natürlich eine sättigende Zutat, meistens Kohlenhydrate, Nudeln zum Bleistift. Ein Meme braucht auch eine Sättigung, die erreicht man meistens mit einer Situation, die den meisten bekannt vorkommt. Ein mieser Arbeitstag, Chaos zuhause, Kritik an einem politischen, sozialen oder anderen Sachverhalt – Memes können eine schiere Menge an Situationen abbilden.

Suche dir also ein Meme, das zu der Situation passt, die du thematisieren möchtest. Dann nicht lang schnacken, kurze und prägnante Worte sind wichtig, damit das lustige Momentum nicht abhanden kommt. Die Botschaft soll ja anstecken, zum Teilen animieren a lá “oh kenn ich” oder “guck mal, das könnten wir sein”. Das i in Meme steht für Identifikation.

Hide the Pain Harold

Quelle: eigene Produktion

Let the meme fly

Das Meme ist erstellt, nun: wohin damit? Wie alles im Leben braucht es jetzt die richtige Bühne und das passende Zielpublikum. Es gibt zahllose Facebook-Gruppen, Facebook-Seiten, Instagram-Seiten, Subreddits, Twitter-Threads und Accounts, sogar bei LinkedIn findet man mittlerweile das eine oder andere Meme. Es gibt viele Möglichkeiten, ein Meme in die Freiheit zu entlassen.

Möchtest du Memes für deine Marketing-Strategie nutzen? Dann solltest du einige Dinge beachten.

Content: Grafik Titelseite mit Lesezeichen

Das Netz ist kein rechtsfreier Raum

Gilt das für Memes? Wie sieht es urheberrechtlich aus? Manche Memes (vor allem die Bildvorlagen) könnten urheberrechtlich geschützt sein, dabei muss man aufpassen. Bei viralen Memes, die millionen- und milliardenfach geteilt werden, ist die Lage nicht ganz so eindeutig. Meistens handelt es sich um eine Grauzone, genaue Beschlüsse, die wirklich rechtlich bindend sind, gibt es in der Form noch nicht. Wenn man ein bereits existierendes Meme genauso übernimmt, sollte man aber zumindest solidaritätshalber erwähnen, woher man es hat und, dass man nicht der Urheber ist.

Content: Mann tippt auf dem Smartphone, Roboter mit Lautsprecher sendet Botschaften raus

Werde authentischer Teil der Meme-Kultur

Memes werden bei Werbemaßnahmen immer beliebter. Sie sehen nicht wie Werbung aus, obwohl Werbung drin ist. Das hat Vorteile, kann aber auch nach hinten losgehen. Beispielsweise, wenn man sich mit der Netz- und Memekultur schlecht auskennt und auf Krampf lustige Memes mit Verkaufsabsicht produzieren möchte. Sie kommen häufig nicht gut an und werden meistens einfach kaum beachtet, weil viele andere attraktive Memes locken.

Was hilft? Sich in die Meme-Kultur einleben, ein Teil von ihr werden und wirklich verstehen, was sie ausmacht. Nur dann kann man authentische Memes kreieren, die gut ankommen. Man wird ja auch nicht Galerist oder Künstler, wenn man absolut keine Ahnung von Fotografie, Malerei o.ä. hat.

Fazit

Memes sind Popkultur, Massenphänomen, postmoderne Ausdruckskunst. Man muss ihre Sprache sprechen können, um sie zu verstehen. Ein gutes Meme erfüllt im Idealfall alle Parameter, die wirksames Marketing-Content ausmacht. Für Massen zugänglich und für sie gemacht, wenige Worte, ein Bild, das im Kopf bleibt und eine Situation, mit der man sich identifizieren kann. 

Autorin

Schwarz-weiß Portrait von Maria Valdmann

Maria Valdman

Praktikantin eLearning und Marketing