Wissenschaftler auf Twitter – Gut für die Gesellschaft

Für Hochschulen ist Social Media schon längst kein Fremdwort mehr. Dass einzelne Wissenschaftler auf Twitter besonders aktiv sind, ist eher die Ausnahme. Einige von ihnen sehen in der Zeichenknappheit das Problem: Die Inhalte und Erkenntnisse könnten so nicht differenziert genug dargestellt werden. Studien hingegen zeigen, dass Twitter maßgeblich zur Bekanntheit einer Publikation beitragen kann. Ist Twitter nicht zudem auch eine Möglichkeit, um die wissenschaftliche Expertise in die Öffentlichkeit zu tragen?

In Bochum gibt es einen Lehrstuhl, der die „Twitter-Faulheit“ unter Wissenschaftlern bekämpft. Der Lehrstuhl für Kriminologie 2 an der Ruhr-Universität weist sogar explizit über seine Website auf den Twitter Account von Tobias Singelnstein hin. Dieser ist Professor für Kriminologie an der Ruhr-Universität Bochum und wirklich aktiv bei Twitter. Knapp 2.000 Tweets und über 1.600 Follower. Er retweetet Kollegen, teilt Zeitungsartikel und macht auf seine aktuellen Forschungsprojekte aufmerksam. Professor Singelnstein hat uns erklärt, warum er als Wissenschaftler auf Twitter präsent ist.

Sehr geehrter Herr Singelnstein,  Sie sind ziemlich aktiv bei Twitter. Warum nutzen Sie genau das Medium? Nutzen Sie auch andere soziale Medien oder Internetauftritte?

Wir haben natürlich einen Internetauftritt von unserem Lehrstuhl und von den verschiedenen Dritmittelprojekten, die wir da betreiben, aber ansonsten ist Twitter das soziale Medium, das ich benutze. Also ich bin nicht auf Facebook, ich schreib natürlich viele E-Mails, aber bei Social Media im engeren Sinne benutze ich Twitter aus mehreren Gründen: Erstens finde ich, dass man sich sehr spezifisch über konkrete Inhalte in einem hohen Tempo informieren kann. Das ist eigentlich das, was ich am meisten daran schätze. Man folgt Leuten, die über spezifische Themen schreiben und bekommt deshalb auch aus Bereichen etwas mit, die man sonst nicht immer so präsent hätte.

Das ist das eine und das andere ist natürlich, dass es auch eine gute Möglichkeit ist, selber seine Arbeit darzustellen und sich zu präsentieren – auch mit dem, was man wissenschaftlich tut.

Und wie tun Sie das? Also wie präsentieren Sie Ihre eigene wissenschaftliche Arbeit da?

Ich tweete zum Beispiel, wenn Veröffentlichungen erscheinen, wenn ein neues Projekt startet, wenn bestimmte Projektabschnitte starten. Also über wesentliche Dinge, die in meinem wissenschaftlichen Alltag passieren, versuche ich auch bei Twitter zu berichten, wenn ich davon ausgehe, dass das auch für andere interessant sein könnte.

Sind Sie privat oder beruflich als Wissenschaftler auf Twitter aktiv?

Das ist für einen Wissenschaftler immer eine schwere Frage, weil in allem, indem ich mich äußere, mein “wissenschaftliches Sein” eigentlich mitschwingt. Insofern würde ich eher sagen, dass ich es wissenschaftlich, also beruflich nutze, weniger privat. Aber ich finde auf Twitter verschwimmt beides.

Und inwieweit treten Sie dort auch in Kontakt mit anderen Wissenschaftlern oder Journalisten?

Schon immer wieder. Es gibt so Punkte, wo man in Diskussionen kommt. Mit Kollegen, aber auch mit interessierten Leuten oder mit Journalisten. Es gibt immer auch wieder direkte Kontaktanfragen. Also es ist schon ein Medium, das sehr stark auf Austausch auch ausgerichtet ist.

Ist es auch für den Studierenden eine Möglichkeit, Sie zu erreichen?

Ich würde sagen, für Studierende ist es eine gute Möglichkeit, mitzukriegen, wozu wir am Lehrstuhl forschen. Weil man die Forschungstätigkeit dort auch ganz gut verfolgen kann; mit welchen Themen beschäftigen wir uns, wozu arbeiten wir im Speziellen. Insofern ist es glaube ich für Studierende eine gute Gelegenheit noch tiefer in die Forschungslandschaft reinzugucken, als man das für gewöhnlich als Studierender tun kann. Ansonsten würde ich sagen, dass sich die Studierenden mit ihren Belangen auf den normalen Wegen, also E-Mail und Moodle, besser und direkter an uns wenden können.

Sehen sie es auch als Ihre Pflicht oder Verantwortung an, als Wissenschaftler Ihre Ergebnisse oder Ihre Ansichten öffentlich zu machen?

Pflicht und Verantwortung finde ich, sind schon große schwere Worte, aber na klar macht Forschung nur Sinn, wenn man sie ein Stück weit auch in die Gesellschaft vermittelt. Wir bearbeiten hier viele Themen, die eine hohe gesellschaftspolitische Relevanz haben und deshalb ist unser Ziel natürlich auch, in der gesellschaftlichen Debatte zu wirken und das in die Gesellschaft zu vermitteln. Da ist Twitter sicherlich ein sehr, sehr schönes Medium für.

Das Non-Plus-Ultra der Wirkweise von sozialen Medien in politischen Entscheidungs- oder Meinungsprozessen ist der arabische Frühling. Glauben Sie, dass die sozialen Medien auch in Deutschland bei dem politischen Diskurs eine ähnlich große Wirksamkeit haben?

Ich glaube schon, dass es Debatten beeinflussen und prägen kann. Gerade, weil da oft so eine erste Meinungsbildung stattfindet, weil es oft der Ort ist, wo bestimmte Themen als erstes aufgegriffen und diskutiert werden. Ob das jetzt so eine grundlegende, basale Kraft hat wie beim arabischen Frühling, wage ich zu bezweifeln, da doch die gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen verfestigter sind. Aber ich glaube schon, dass der Einfluss groß ist.

Inwieweit nutzt Twitter denn Ihrer eigenen Reputation?

Es ist vor allem außerhalb der Wissenschaft. Also innerhalb der Wissenschaft wird es sehr, sehr wenig genutzt. Also es gibt ein paar Kollegen, die man da trifft und mit denen man auf diese Weise auch einen regelmäßigeren Austausch als sonst hat. Darüber hinaus ist es aber vor allem ein Medium, mit dem man mit Leuten aus der Gesellschaft in Diskussionen kommt, die man sonst mit seinen Themen und Inhalten nur sehr schwer erreichen würde.

Würden Sie sich wünschen, dass noch mehr Wissenschaftler auf Twitter zu finden sind?

Ich finde es wie gesagt generell gut, wenn Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung in der Gesellschaft vermittelt werden und glaube, dass Twitter ein guter Weg dafür ist. Insofern fände ich es schön, wenn mehr Kollegen es machen würden. Aber wie das immer so ist; wir haben ein sehr breites Aufgabenfeld und alle setzen ihre Schwerpunkte darin ein bisschen anders, von daher kann ich auch verstehen, wenn Kollegen das so oder so machen.

Dieses Interview wurde von Lennart Rettler, Praktikant bei der Business Academy Ruhr von April bis Juni 2018, geführt.