Erstellung von Lernvideos: Leitfaden für Anfänger

Videos haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und sind täglicher Bestandteil der Menschen geworden. Vor allem auf Social Media Plattformen zeigt sich der Trend hin zu bewegten Formaten, wie beispielsweise Stories oder Reels. In der Bildungslandschaft allerdings ist das Thema Video, insbesondere Lernvideos, noch lange nicht so präsent, wie in unserem persönlichen Alltag. Ein Grund dafür ist unter anderem, dass die Erstellung von Videos für die Lehre von dem Lehrpersonal selbst geleistet werden muss. Und das Lehrpersonal ist in der Regel nicht ausreichend dafür ausgebildet – genauso wie bei vielen anderen Themen der Digitalisierung von Lehre. Irgendwie muss man ja aber als Anfänger einen Einstieg finden, oder? Genau diesen möchten wir Ihnen mit diesem Artikel geben.

Warum sind Lernvideos für das Lernen wichtig?

Sie sind noch gar nicht davon überzeugt, dass Videos in der Lehre sinnvoll sind? Nun ja, Sie haben wahrscheinlich viele Nachteile im Hinterkopf: Aussagen wie „Lernvideos können richtigen Unterricht nicht ersetzen“, „die Videoproduktion ist zeitaufwändig und muss zusätzlich zur eigenen Lehre geleistet werden“ und „ich habe doch gar nicht die notwendigen Kenntnisse dafür“ kann einem zugegebenermaßen an der Sinnhaftigkeit von Videos in der Lehre Zweifeln lassen. Mal abgesehen davon sind viele Lehrenden der Meinung, dass die Präsenzlehre die einzig Wahre Methode ist. In der Diskussion wird oftmals vergessen, dass es nicht darum geht, die Präsenzlehre komplett durch die Online-Lehre zu ersetzen. Es geht vielmehr darum, die Vorteile beider Lehrmethoden miteinander zu kombinieren. Integrieren Sie deshalb in kleinen Schritten digitale Lernmethoden wie zum Beispiel Lernvideos in Ihren Präsenzunterricht.

Was sind Lernvideos und welche Vorteile haben sie gegenüber der Präsenz-Vermittlung? Wie findet man Themen für Lernvideos?

Grafik mit einem Video vs. einer Tafel

Ein Lernvideo ist ein Videofilm, der Lerninhalte an den Zuschauer vermitteln soll. Lernprozesse sind dabei nicht nur auf formeller Ebene (z.B. Lernen innerhalb von Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Universitäten), sondern auch auf informeller Ebene (z.B. lebenslanges eigenständiges Lernen) vorzufinden. Vor allem auf Videoplattformen wie YouTube und Vimeo finden sich zahlreiche sogenannte „Tutorials“, in denen Wissen vermittelt wird und somit informelle Lernprozesse stattfinden. Man stelle sich vor, wie man dieses Wissen ohne Online-Videos vermittelt bekommen würde: wahrscheinlich gar nicht, oder aber nach langer Recherche bei kostenpflichtigen Anbietern in Präsenzseminaren oder -workshops.

Und daraus resultiert auch schon ein erster Vorteil: mithilfe von online bereitgestellten Videos kann Wissen weltweit an jeden beliebigen Lernenden zu jeder beliebigen Zeit bereitgestellt werden. Die hohe Flexibilität ist das ausschlaggebende Argument für Lernvideos. Lernende können von wo sie wollen und wann sie wollen die Lerninhalte eigenständig rezipieren, ohne von dem Lehrenden und einer Lerngruppe abhängig zu sein. Im Gegensatz dazu ist man in der Präsenzlehre zeitlich, örtlich und personell gebunden, was die Flexibilität deutlich einschränkt.

“Lernen wo und wann man möchte – ganz unabhängig von Lehrenden und Lerngruppen”

Ein weiterer wichtiger Faktor ist das individuelle Lerntempo. In der Lehre hat man es meist mit der heterogenen Lerngruppen zu tun. Sprich: Manche lernen schneller, manche brauchen mehr Zeit. Wer kennt es nicht: Man erklärt einen bestimmten Sachverhalt. Die Hälfte der Lernenden hat es verstanden, die andere Hälfte nicht. Um auch wirklich alle Lernende abzuholen, wird der Sachverhalt und zweites, drittes und vielleicht sogar viertes Mal wiederholt. Ein bedeutsamer Teil der Lernenden ist jedoch schon gelangweilt. Genau das passiert in Lernvideos nicht. Hier ist es möglich, sich die Lerninhalte in dem eigenen Tempo anzueignen und bei Bedarf sogar mehrmals zu rezipieren.

“Lernen im eigenen Tempo – pausieren, zurück- und vorspulen sowie Wiederholung möglich”

Haben Sie schon einmal drüber nachgedacht, ob es Sachverhalte gibt, die Sie in einer Präsenzvermittlung nicht ausreichend zeigen bzw. erklären können? Oftmals können solche Lerninhalte dann viel besser in Lernvideos vermittelt werden. Sei es eine schematische Darstellung eines Prozesses, die (Nah-)Aufnahme eines Geräts oder auch die Erklärung eines Tools. Das alles wäre in Präsenz in einer großen Lerngruppe nicht in der Form möglich, wie es in Videos dargestellt werden kann.

“Sichtbarmachung von unsichtbaren Lerninhalten”

Mithilfe der zuvor dargestellten Vorteile können Sie gezielt entscheiden, an welchen Stellen Sie Lernvideos zur Ergänzung Ihres Präsenzunterrichtes einsetzen könnten. Finden Sie ein Thema, das so komplex ist, dass es besser in einem Lernvideo dargestellt werden kann und gleichzeitig für die Lernenden ein individuelles Lernen in ihrem eigenen Tempo ermöglicht.

Welche Arten von Lernvideos gibt es und wie kann man diese selbst erstellen?

Die Art eines Lernvideos kann über die Technik definiert werden, mit der sie erstellt wird. Alternativ lassen sich zudem verschiedene Themen von Videos definieren. Hier ein paar Beispiele dafür:

Durchgehende Videoaufnahme vs. zusammengeschnittenes Video

Screenshot der Videoschnittsoftware DaVinci Resolve 18

Zunächst gilt für alle kommenden Arten für Lernvideos: Sie können zum einen mithilfe eines beliebigen Gerätes (z.B. Smartphone, Kamera, Webcam) aufgenommen werden. Es handelt sich dabei um eine durchgehende Videoaufnahme oder um einzelne Videoaufnahmen (z.B. von Landschaften, Prozessen, Personen), die mithilfe einer Videoschnittsoftware zu einem Video zugeschnitten werden.

Der Vorteil von durchgehenden Videoaufnahmen besteht darin, dass kein Videoschnitt und damit auch keine Kenntnisse dafür notwendig sind. Die Videoaufnahme wird am Ende einfach als Ganzes auf den PC bzw. den Laptop übertragen und beliebig eingesetzt. Jedoch ist es sehr stark abhängig davon, welche Art von Videos man drehen möchte. Zeitlich aufeinanderfolgende Szenarien wie z.B. Interviews oder Vorträge sind sehr gut für durchgehende Videoaufnahmen geeignet. Möchte man jedoch Prozesse, Gegenstände oder Personen zeitlich entzerrt darstellen, benötigt man zwingend einzelne Videoaufnahmen, die man zu einem Video zusammenschneidet, und damit entsprechende Videoschnitt-Kenntnisse.

Videoaufnahmen der „Realität“: Realfilm

Nahaufnahme von einer Smartphone Kamera

Ein Realfilm hält die Realität (also Personen, Landschaften, Gegenstände, etc.) mithilfe eines beliebigen Aufnahmegeräts (z.B. Kamera, Smartphone oder Actioncam) fest. Für gute Videoaufnahmen ist nicht unbedingt eine teure Kamera notwendig. Auch neuere Smartphones weisen sehr gute integrierte Kameras auf, die man zur Videoproduktion nutzen kann. Zur Optimierung ist jedoch ergänzende Ausstattung zu empfehlen, wie zum Beispiel ein Gimbal oder ein Stativ. Mithilfe eines Gimbals bekommt man wackelfreie Aufnahmen. Ein Stativ ist unter anderem dann sinnvoll, wenn man sich selbst aufnehmen möchte.

Inhaltlich können Realfilme unterschiedlich gestaltet sein. In der Lehre geht es vordergründig darum, einen Lerninhalt zu vermitteln. Oftmals werden in der Bildung deshalb sogenannte Erklärvideos oder Tutorials genutzt. Video-Tutorials sind filmische Anleitungen, die einen gewissen Vorgang erklären. Dabei geht es faktisch um das „Wie“. Bei einem Erklärvideo hingegen wird eine Story aufgebaut, die einen größeren Zusammenhang zeigt. Hier ist nicht nur das „Wie“, sondern auch das „Warum“ relevant. An diesem Beispiel sieht man ebenfalls ganz gut, welche verschiedene Definitionsformen Lernvideos haben können: Während die Definition von Realfilm die Technik der Videoaufnahme mit einer belieben Kamera berücksichtigt, definiert ein Tutorial bzw. Erklärvideo den inhaltlichen Aspekt eines Videos. Möchte man also einen Realfilm erstellen, in dem man einen Sachverhalt erklärt, handelt es sich streng genommen um eine Mischung aus beiden: nämlich um ein reales Erklärvideo. Es gibt beispielsweise auch schematische Erklärvideos, die mit einem Tool, und nicht mit einer Kamera, erstellt werden.

Videoaufnahmen des eigenen Bildschirms: Screencast

Beispielaufnahme mit dem Bildschirmaufnahmetool Screen Rec

Screencasts (deutsch: Bildschirmaufnahmen) sind Videoaufzeichnungen des Computerbildschirms. Dabei kann man für einen ausgewählten Bereich des Bildschirms (z.B. ganzer Bildschirm, ein ausgewählter Bereich) jede Bewegung aufnehmen, die der Nutzer tätigt (inklusive des Mauszeigers). Zum Beispiel kann aufgenommen werden, wie der Nutzer in Dateiordnern navigiert, eine Präsentation erstellt oder aber auch ein Programm bedient. Oftmals werden innerhalb solcher Screencasts Video-Tutorials erstellt. An diesem Beispiel sieht man ebenfalls ganz gut, welche verschiedene Definitionsformen Lernvideos haben können: Während die Definition von Screencast die Technik der Bildschirmaufnahme berücksichtigt, definiert ein Tutorial den inhaltlichen Aspekt eines Videos. Möchte man also eine Bildschirmaufnahme erstellen, in der man ein Programm und dessen Bedienung vorstellt, handelt es sich streng genommen um eine Mischung aus beiden: nämlich um ein Screencast-Tutorial.

Um ein Screencast aufzunehmen, bedarf es einer Software auf dem Computer. Das kostenlose Tool Movavi Screen Recorder ist aufgrund der einfachen Installation und Bedienung sowie der damit verbundenen geringen Einarbeitungszeit sehr gut für Anfänger geeignet. Mit der kostenlosen Version des Tools können bis zu 5-minütige Screencasts aufgenommen werden. Es lassen sich ganz einfach durchgängige Videoaufnahmen erstellen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, beliebige Abschnitte vor dem Export im Tool selbst herauszuschneiden.

Was sind Tipps für gute Lernvideos bzw. zur Gestaltung von Lernvideos?

Technik

Der Markt ist aktuell voller guter Videos. Sowohl auf Social Media Plattformen als auch auf Videoplattformen wie YouTube oder Vimeo finden sich zahlreiche qualitativ gute (Lern-)Videos. Deshalb sollte man unbedingt darauf achten, dass die genutzte Technik (z.B. Smartphone-Kamera) eine ausreichende Qualität aufweist. Besonders wichtig bei Lernvideos ist der Ton. Deshalb sollte man unbedingt in ein externes Mikrofon (oder sogar Ansteck-Mikrofon) investieren.

Länge

Lernvideos sollten nicht zu lang sein. Optimal ist eine Länge zwischen 5 und 15 Minuten, da ansonsten schnell die Aufmerksamkeit des Lernenden verloren geht. Sollte man komplexere Lernvideos drehen wollen empfiehlt es sich lieber mit mehreren kleineren Videos zu arbeiten als einem großen Video. In dem Fall spricht man von sogenannten Videoreihen.

Inhalt

Lernvideos sollten inhaltlich in sich geschlossen sein. Man sollte sich ein konkretes Thema bzw. eine konkrete Fragestellung aussuchen und (nur!) diese im Video abhandeln (z.B. Einstellungen in Programm XX). Dabei sollte man unbedingt die Sprache der Zielgruppe benutzen. Möchte man also blutige Anfänger in ein Thema einarbeiten, sollte man auch eine möglichst einfache Sprache nutzen. Sofern man Fachbegriffe benutzt, sollten diese zunächst einmal genau erklärt werden.

Inhalt

Der Titel des Lernvideos sollte genau das wiederspiegeln, was das Video inhaltlich auch bietet. Mit dem Titel (und ggf. der Beschreibung) eines Lernvideos entsteht beim Lernenden eine Erwartung, die für eine positive Lernerfahrung unbedingt erfüllt werden sollte.

Intro

Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck! Deshalb sollte man seine Zuschauenden schon zu Beginn des Videos „abholen“, sodass sie motiviert sind das Lernvideo weiterzuschauen. Man sollte nicht ohne kleine Einführung direkt in das Thema einsteigen. Vielmehr sollte man zunächst beschreiben, worum es in dem Lernvideo gehen wird und warum das Thema relevant ist. Es gilt, die Neugier auf das Thema zu verstärken, indem man unter anderen selbst Begeisterung vermittelt.

Sprachliche Gestaltung

Begeisterung für ein Thema ist ansteckend. Deshalb kommt es nicht nur auf den Inhalt an sich an, sondern ebenfalls darauf wie man diesen Inhalt vermittelt. Einen vorgeschriebenen Text monoton Abzulesen ist der schlimmste Fehler, den man in einem Lernvideo machen kann. Vielmehr sollte man Vertrauen in die eigene Expertise haben, frei sprechen und mit seiner sprachlichen Gestaltung Begeisterung vermitteln. Dabei sollte man immer seine Zielgruppe vor Augen haben.

Unser Fazit

Prinzipiell gilt: Es lassen sich verschiedene Arten von Lernvideos erstellen und auch beliebig miteinander kombinieren. Zum Beispiel lässt sich ein reales Erklärvideo in einem Lernvideo mit einem Screencast-Tutorial kombinieren. Sobald man verschiedene Videoarten miteinander kombinieren möchte, sind jedoch zwingend Videoschnitt-Kenntnisse notwendig. Für den Anfang reicht es vollkommen aus, sich auf eine Videoart zu beschränken (z.B. Screencast-Tutorial) und durchgehende Videoaufnahmen zu nutzen. In nächsten Schritten kann man sich nach und nach in andere Videoarten einarbeiten und sich langsam an das Thema Videoschnitt einarbeiten.